Tag 16 + 17

Tag 16:

Augenblinzelnd schielte ich zu Nina hinüber. Sie war schon wach. Die Sonne schien durchs Fenster und ich hatte einen fremden Teddybären im Arm. Nachdem ich ihn wieder an seinen Platz gesetzt hatte, bewirtete mich Nina wieder mit einem leckeren Frühstück. Danach hieß es Rucksack packen und Abschied nehmen. Klaudia gab mir noch "Kein Weg ist vergebens" mit auf meinen Weg, was ich mir heute im Laufe des Tages noch mantramäßig immer wieder sagen würde. Nina brachte mich zurück nach Egg am Faaker See, von wo sie mich entführt hatte. Mir fiel der Abschied schwer. Schon der Gedanke ans allein Weitergehen löste Unbehagen in mir aus. Ich bin nicht gerne allein. Und noch weniger gern mag ich den Übergang von Gesellschaft auf alleine sein. Aber ich hatte es mir so ausgesucht und wie meine Mama sagen würde:"Wonochs an lust, do sulls an dann a ned grausn!", deswegen Rucksack umschnallen, Hut auf den Kopf und losmarschieren.

Es dauerte keine 15 Minuten bis mich ein Mann anredete und mir am liebsten alle Äpfel von seinem Apfelbaum mitgegeben hätte. Dankend nahm ich ein paar an und freute mich, denn solche Erlebnisse helfen gegen den Allein-sein-Kummer.

Ein einstündiger Marsch auf Asphalt brachte mich endlich wieder einmal auf einen Waldweg, den ca. 1,5 Stunden folgte. Die restlichen 7 km bis Villach waren, wie sollte es auch anders sein, wieder asphaltiere Straßen. Der Sommer zeigte heute wieder, was er konnte und so war es sehr mühsam, in der glühenden Mittagshitze durch eine Stadt zu gehen. Vor der Jakobskirche, setzte ich mich in den Schatten und machte eine kurze Rast. In dieser Zeit versuchte ich mir ein Zimmer, was halbwegs leistbar war, zu organisieren. Es war nicht möglich. Aber zumindest hatte ich ein Zimmer in Kellerberg bekommen. Jetzt musste ich nur mehr dort hingelangen. Und somit begann die Odyssee. Denn hier kam die Sperre der berühmt berüchtigten Draubrücke zum Tragen. Doch anscheinend ist das nicht die einzige Brücke, die im Jahr 2020 saniert wird und somit irrte ich von einer Umleitungstafel zur nächsten, um dort festzustellen, dass diese mich wieder in die entgegengesetzte Richtung schickte. Nach einer Stunde planlosen Herumirrens, begann ich nach dem Weg zu fragen. Ich wurde nur gemustert und gefragt, warum ich denn dort zu Fuß hinwolle und es konnte mir keiner weiterhelfen. 

Auch der nächste Mann, den ich um Hilfe bat, hat sich nur gewundert, warum ich zu Fuß unterwegs war und meinte einfach, irgendwo entlang der Drau müsse schon eine Brücke sein. Ich kämpfte gegen die Tränen und die aufsteigenden Verzweiflung an. Die Hitze, meine mittlerweile müden, leicht schmerzenden Füße, der Umstieg von Gesellschaft auf Einsamkeit, unfreundliche Leute und ein Wegweiserchaos (aber mal ganz ehrlich, Wegweiser aufzustellen, dürfte keine Stärke von Kärntnern sein) - das wurde mir in dem Moment alles zu viel. 

Liebe Kärntner - ist das euer Ernst?
Liebe Kärntner - ist das euer Ernst?

Dieser Mann dürfte das gesehen haben und ist mir extra nochmal nachgelaufen, um mit mir gemeinsam einen Weg zu suchen. Ich fand wirklich eine Brücke, um auf die andere Seite der Drau zu gelangen, um dort wieder vor einer Umleitungstafel zu stehen. Ich war kurz davor, meine wiedergewonnene Fassung zu verlieren. Meine letzte Hoffnung war ein Rennradfahrer an der Ampel.

Er ist, sage und schreibe 20 Minuten, im Schritttempo neben mir hergefahren, um mich aus Villach rauszubegleiten. DANKE, DANKE, DANKE !!!

Gefühlte 3 Stunden später war ich wieder auf Kurs nach Kellerberg, was ich 2,5 Stunden Asphaltweg später auch erreichte.


ERKENNTNIS des Tages:


Vertraue keinen Umleitungsschildern in Kärnten.

Kein Weg ist vergebens - und wenn er nur dazu da ist, um Kalorien zu verbrennen.



Tag 17:

Frisch und erholt von den gestrigen Strapazen machte ich heute Morgen beim Frühstück die Bekanntschaft von Touni und Hüd. Nach einer netten Unterhaltung und einem leckeren Frühstück packte ich meinen Rucksack und startete die Etappe gleich mal mit einer Abkürzung, die mir der Wirt des Gasthofes verraten hat. Danach war ich schlau genug, um mir selbst auf der Wanderkarte eine Alternative zur vorgegebenen Route entlang asphaltierter Straßen gab. Ich musste zwar einen kleinen Umweg gehen, aber den nahm ich gerne dafür in Kauf, um auf Waldboden anstatt Asphalt zu gehen. Es war die absolut richtige Entscheidung, denn der Wald hatte etwas Märchenhaftes an sich - etwas verwildert, alles bemoost, unzählige Pilze und Schmetterlinge - einfach traumhaft schön!

Nach der Ortschaft Fresach und vielen missglückten Versuchen, telefonisch eine Unterkunft für die kommende Nacht zu buchen, kam ich zur Krebswandermeile, welche bestimmt zu den schönsten Teilen meiner bisherigen Reise gehört. Dort habe ich mir auch bewusst eine längere Pause gegönnt, um die Eindrücke auch wirklich wirken zu lassen.

Kurz darauf erreichte ich auch schon St. Jakob ob Ferndorf, was eigentlich mein heutiges Etappenziel gewesen wäre. Ich entschloss mich jedoch dazu, noch weiter nach Spittal an der Drau zu gehen. Dort hatte ich eine günstige Unterkunft gefunden. Die Strecke dorthin bestand fast ausschließlich aus Wald- und Wiesenwegen. Meine Füße genossen das sehr. So hatte ich nur mehr mit der Hitze zu kämpfen.


ERKENNTNIS des Tages:


Auf dem Weg, den du gehst, kommt es nicht nur auf die Anzahl der Schritte an, die du gehst. Sondern auf die unvergesslichen Umwege, die unverhofften Begegnungen, die Stolpersteine und die großen und kleinen Abenteuer, die jeden Tag auf dich warten. 

märchenhafter Umweg
märchenhafter Umweg