Tag 54 + 55

Wenn es erst um halb 8 Uhr morgens hell wird und das nicht einmal richtig, weil das bisschen Himmel, was zwischen den Bergen rundherum sichtbar gewesen wäre, auch mit Regenwolken verhangen ist, fällt das Aufstehen nicht unbedingt leichter.

Nach dem Frühstück warfen Helfried und ich unsere Regenkleidung über und starteten schon im Regen los. Wir kamen eigentlich recht flott voran, obwohl unser Wortwechsel eher spärlich ausfiel, denn das Rascheln der Ponchokapuze und das unaufhörliche Prasseln des Regens gestaltete das gegenseitige Verstehen schwieriger. Es wurde auch zunehmend kälter. Es begann zu graupeln und wir hatten die allergrößte Freude, als wir die ersten richtigen Flocken entdeckten. In St. Jakob bei St. Anton am Arlberg besuchten wir die schön gestaltete Jakobskirche und nutzten diese zum Aufwärmen, was vielleicht keine so gute Idee war, denn danach war uns richtig kalt. Aber es schneite riesengroße, weiße Flocken, was das um einiges erträglicher machte. Mit jeder Flocke kam mehr Weihnachtsstimmung auf!

Bei einem sündhaft teuren Kebap (die St. Antoner wissen wie man Geld verdient) suchten wir nach einer Unterkunft. Nach einer Zusage im Haus Burger, legten wir noch einen Shoppingstopp beim Intersport ein. Es war genau noch 1 Mütze (die ich mir gekauft habe) und 1 Paar Handschuhe lagernd. Aber irgendwie war das ganze Sortiment nicht besonders groß.

Im Haus Burger empfing uns die Hausherrin Barbara sehr herzlich. Gemeinsam mit Reini, einem Jakobspilger (juhuuu) aus Wien verbrachten wir einen gemütlichen Abend und wurden von Barbara kulinarisch verwöhnt.


ERKENNTNISSE des Tages:


Steirer freuen sich mehr über Schnee im September als Tiroler. 

St. Anton a. A. hat die teuersten Kebaps und die mickrigsten Intersports


Schnee - da kommt Freude auf!!
Schnee - da kommt Freude auf!!

Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von Barbara. Sie hatte uns noch den Tipp gegeben, unsere Füße mit Zeitungspapier als Isolierung einzuwickeln. Draußen lagen bestimmt schon 20cm Schnee und es schneite immer noch! Zu dritt (gemeinsam mit Reini) stapften wir durch den Schnee davon. Alle drei waren wir begeistert, obwohl der Schnee es uns nicht so einfach machte Wege, Pfade oder Wegweiser zu erkennen. Wir mussten die Tafeln zuerst abklopfen, damit wir lesen konnten, was darauf stand. Wir gingen den WunderWanderWeg entlang (oder wie wir ihn genannt haben: den WinterWunderWanderWeg). Es war so märchenhaft! Bäume, Sträucher und verwurzelte Waldege - alles war von einem weichen, weißen Mantel umhüllt. Ein Traum für jeden Winterliebhaber!

Aber es hatte den Nachteil, dass wir unseren Weg unter dem Schnee fast nicht erkennen konnten, was dazu führte, dass wir eine Extrarunde im Barfußweg drehten.

Es schneite beständig vor sich hin und mit jedem zurückgelegten Höhenmeter, stieg auch die Schneemenge. Knöchelhoch... knietief... hüfthoch. Wir wechselten uns ab, so dass jeder von uns einmal vorausstapfte und die anderen hinterher. Wir kämpften uns vorwärts, was alles andere als einfach war. Der Wind und der Schneefall wurden immer stärker, die Sicht schlechter und die Beine müder. Teilweise rutschten wir auf Wurzeln oder Steinen weg, die im Schnee verborgen lagen oder strumpften in Löcher. Es wurde immer anstrengender. Meine Hose war bis zur Mitte meiner Oberschenkel durchnässt, meine Schuhe ebenso. Die Kälte brannte auf der Haut. Und dann merkten wir, dass wir vom Weg abgekommen waren. Spätestens hier wäre ich allein verzweifelt. Es war nicht mal mehr ansatzweise so etwas wie ein Weg zu erkennen. Wir kämpften uns zurück zum Weg oder dorthin, wo er sein sollte und vorbei am Meiensee. Der Wind pfiff uns eiskalt um die Ohren und meine Handschuhe waren steif gefroren. Laut meinem Handy hatte es - 2 Grad und durch den Wind gefühlte - 8 Grad. Wir wollten einfach nur mehr runter. Wir gingen über eine Brücke und einen Weg entlang... und dann... endlich... Häuser !! Die Freude war riesig!

Doch je näher wir kamen, desto klarer wurde uns, dass weder Licht noch Rauch zu sehen war. Es wirkte wie ausgestorben... bis auf zwei kleine Lichter am Eingang vom Hospiz Hotel St. Christoph. Komplett durchgefroren und erschöpft (nach 3 3/4 Stunden im knie- bis hüfthohem Schnee) baten wir den Besitzer des eigentlich derzeit geschlossenen Hotels darum, uns aufwärmen zu dürfen. Er meinte lachend, dass er gar nicht wusste, dass Steirer (und Fast-Steirer) so verrückt wären und bei dem Wetter zu Fuß über den Arlberg gehen. Dieses Hotel wäre seit Jahrhunderten ein Schutzhaus und wir bekamen Zimmer und das unglaubliche Angebot kostenlos zu nächtigen und uns in der Betriebskantine zu verpflegen. Wer hätte gedacht, dass am Jakobsweg ein Zimmer in einem 5*-Hotel zu den günstigsten Unterkünften gehört? Also ich jedenfalls nicht...

Den restlichen Tag verbrachten wir damit wieder aufzutauen, unsere Sachen trocken zu legen und uns über diese unglaublichen Erlebnisse zu wundern.


ERKENNTNISSE des Tages:


Das Finden des Weges ist das Ziel.

Als Pilger kann ein Zimmer in einem 5*-Hotel zu den günstigen Unterkünften gehören. 

Schneewanderung
Schneewanderung