Tag 59 + 60

Die Nacht im Stroh war erholsam und das Bauernfrühstück am Morgen hat einfach alles übertroffen! Für jeden, der mal etwas Anderes erleben will, absolut empfehlenswert!

Der Morgenhimmel versprach uns feinstes Wanderwetter, was wir auch bekommen sollten. Über einen langen Forstweg führte uns der Weg hinauf. Zwischendurch erhaschten wir immer wieder Blicke in die Ferne, auf Wälder, die sich zu verfärben begannen und den Herbst ankündigten. In Eggerstaden waren wir wieder zurück am Jakobsweg, wovon wir für das Schlafen im Stroh ein wenig abgewichen waren und verweilten vor der Kirche St. Josef in der Sonne.

Über Feldwege und Weiden spazierten wir nach Appenzell. Wir setzten uns an die Sitter, wo wir unsere Füße nach dem Kneipen in der Sonne trocknen ließen. Dort trafen wir auch Helga und Peter, die die Gelegenheit nutzten und mit ihren E-Bikes die Gegend erkundeten und nach einem gemeinsamen gutbürgerlichen, schweizer Essen (Rösti mit Appenzeller Käse überbacken) Magdalena mit nach Hause nahmen.

Auch dieses Mal war der Abschied schwer. Eigentlich war ich die letzten Wochen immer in Gesellschaft mir lieb gewonnener Menschen. Gemeinsam zu gehen/zu wandern/zu pilgern verbindet und gibt Sicherheit. Man teilt Erfahrungen, Entscheidungen, Erschwernisse und Momente, die zu wunderbaren Erinnerungen werden. Man wächst. Jeder für sich und doch zusammen.

Im Frauenkloster Maria der Engel erwartete mich das absolute Gegenstück dazu. Das Kloster wird seit etwa zwei Jahren als eine Art Hotel und Pilgerunterkunft benutzt, steht aber ansonsten leer. Mir wurde ein Schwesternzimmer (Bett, Nachttisch mit Bibel, Rosenkranz, Weihwasser, Kommode, Schreibpult und Sessel) zugeteilt. Und danach war ich alleine. Das Kloster war leer und es war still. Manchmal knarzte der Boden oder es gluckste das Wasser in den Rohren. Es war ungewöhnlich still. Auch die Tatsache offline zu sein (weil kein WLAN und Roaming in der Schweiz ist ja...sagen wir so: es ist nicht in meinem Budget enthalten), gab mir noch einmal mehr das Gefühl allein zu sein. Und doch hatte es etwas seltsam Beruhigendes an sich.


ERKENNTNISSE des Tages:


Eine Internetverbindung stellt Verbindung her.... und ohne Verbindung.... fühle ich mich nochmal mehr alleine. 


Man sollte sich nicht mit einem neuen Schweizer Taschenmesser spielen, wenn man müde ist. Die Klingen sind wirklich scharf. 

Frauenkloster Maria der Engel
Frauenkloster Maria der Engel

Tag 60: Ich frühstückte alleine in einem großen Speisesaal. Die Dame, die als Freiwillige die Gäste und Pilger betreute, hatte das Frühstück vorbereitet und kam erst wieder als ich fertig war. Ich freute mich über ihre Gesellschaft und ihre Erzählungen.

Ich pilgerte durch die noch schlafend wirkende Ortschaft und genoss die Ruhe, die das sanfte morgendliche Licht ausstrahlte.

Über einen Barfußweg zwischen einem Golfplatz, Weiden und Mooren ging ich dahin. In Gonten traf ich auf den Bauern Pius, der gratis Urlaub am Bauernhof gegen eine kleine Mithilfe anbietet und wir unterhielten uns bestimmt eine halbe Stunde. Bevor ich weiterzog, bestand er darauf, mit mir ein Gläschen Appenzeller (wie Jägermeister), der angeblich nur tiefgekühlt wirklich gut ist, zu trinken.

Auf dem Weg nach Jakobsbad traf ich zwei Frauen. Eine davon, Heidi, bot mir gleich an, dass ich bei ihr schlafen könne, wenn ich an Luzern vorbeigehe. So nett!

Bei einem großen Kletterpark (Jakobsbad-Kronberg) legte ich eine kurze Rast mit Kägi fret (Schweizer Schoki - check) und gratis WLAN (wuuuhuuu) ein, die ich unter anderem dazu nutzte, um mir meine heutige Unterkunft zu organisieren.

Den Besinnungsweg folgend, einem sehr lieb gestalteten Weg über Wiesen, Weiden und Wäldern, kam ich zum Hof von Josef Niklaus, der gerade damit beschäftigt war, Holz zu schlichten. Mein Angebot, ihm zu helfen, verwunderte ihn. Also stellte ich meinen Rucksack ab und half ihm. Wir unterhielten uns, soweit wir uns gegenseitig verstanden, wirklich gut. 2 1/2 Stunden später und gegen "Bezahlung" in Schnaps, die sich Klaus nicht ausreden ließ, machte ich mich wieder auf den Weg.

Die Zeit war schneller vergangen als gedacht und ich hatte doch noch 13 km vor mir, was bedeutete, dass ich einen Zahn zulegen musste. Leider bin ich mich in Urnäsch auch noch vergangen, was zusätzlich Zeit und Kraft kostete. Ich kämpfte mich steil bergauf auf nochmal 1130m, wofür ich aber mit einer traumhaften Aussicht über die sanfte grüne Hügellandschaft, die verstreut liegenden Bauernhöfe und die dahinter schroff wirkende Bergkulisse belohnt wurde.

In der Pilgerherberge Ämisegg wurde ich herzlich empfangen und fühlte mich auf Anhieb wohl und 'wöllkomm'.


ERKENNTNISSE des Tages:


Schweizer Bauern sind sehr gastfreundlich und stolz darauf Bauern zu sein.


Hier wird man für nette Gespräche oder für freiwillige Hilfe mit Schnaps bezahlt. 

mit Josef Niklaus beim Holz schlichten
mit Josef Niklaus beim Holz schlichten