Tag 63 + 64

Vergangene Nacht im Stroh war leider nicht so erholsam wie gewünscht. Mir war kalt, irgendwie war alles unbequem. Mitten in der Nacht holte ich mir noch 2 weitere Decken, die ich außen über meinen Schlafsack legte, damit ich einigermaßen schlafen konnte. Und danach kam im Traum wieder viel hoch.


Unterwegs traf ich auf eine Frau, die gerade mit ihrem Hund spazieren ging. Sie gab mir den Rat, ich solle doch 10 Minuten in die andere Richtung gehen, denn da sei eine "märlehofte" Klamm. Und sie fände es so schade, dass alle das Schönste von der Gegend verpassen würden. Also drehte ich um und ließ mich von diesem besonderen Ort verzaubern. 

im Aabachtal
im Aabachtal

Ein Ort zum Kraft tanken und besinnen.

Danach ging es für mich weiter durch eine kleine Ortschaft mit einer sehr nett gestalteten Pilgerkapelle. Dort entschied ich mich für die Route über Eschenbach - Eggwald - Jona, um nach Rapperswil zu kommen. Ich spielte mit dem Gedanken meine "verlorene" Zeit aufzuholen, indem ich heute noch bis Einsiedeln weitergehen würde. Und während ich so vor mich hindachte, begegnete einer Frau, die auch alleine wanderte - Brigitte. Wir kamen gleich ins Gespräch. Sie erzählte mir, dass sie auch schon den Jakobsweg gegangen war und sie lud mich ein, die Nacht bei ihr verbringen zu können. Und das in weniger als 30 Minuten. Ich bin selber immer wieder verblüfft, wie sehr der Jakobsweg verbindet und die Menschen öffnet.

Ich verbrachte den Nachmittag in Rapperswil- City, saß am Ufer des Zürichsees, trank einen Café Latte um stolze 7 Franken und versuchte gratis WLAN zu finden. Gegen 18 Uhr bin ich mit dem Bus nach Rüti gefahren, wo mich Brigitte und ihr Partner Reto abholten. Ich bekam mein eigenes Zimmer, das Angebot meine Wäsche waschen zu können, wurde mit einem wahnsinnig leckeren Abendessen bekocht und sollte mich wie Zuhause fühlen. Bei einem Gläschen Wein sprachen wir über Gott und die Welt, Erlebnisse, Camino-Gründe und viele weitere Themen. So viel Gastfreundschaft und Herzlichkeit wie diese zwei mir - einer Fremden - entgegen gebracht haben... ich bin völlig sprachlos! Das gehört mit zu den Jakobswegwundern und dafür bin ich unendlich dankbar! 


ERKENNTNISSE des Tages:


Um manche Schätze zu finden, muss man den vorgegeben Kurs verlassen. 


Manche Begegnungen sind ein Test, eine Lektion oder ganz einfach ein Geschenk! 


Der Jakobsweg öffnet und verbindet. 



Reto und Brigitte - eineGeschenk-Begegnung auf meinem Weg!
Reto und Brigitte - eineGeschenk-Begegnung auf meinem Weg!

Tag 64: Nach einem wunderbaren gemeinsamen Frühstück mit Brigitte nahm ich den Bus zurück nach Rapperswil, wo mich meine nächste Reisebegleitung erwarten sollte. Ich freute mich riesig, denn ich hatte Kai das letzte Mal vor 4 Jahren gesehen, als ich bei ihm in seiner Praxis ein Praktikum gemacht hatte. Durch Zufall hatten wir vor 2 Wochen festgestellt, dass wir beide zur selben Zeit in der Schweiz wären, also beschloss er kurzerhand, ein paar Tage seines Urlaubs mit mir gemeinsam zu wandern.

Wir starteten gleich über einen langen Holzsteg über den Zürichsee und plauderten vor uns hin. Nach Pfäffikon schlängelte sich der Weg steil bergauf über Wiesen und durch Wälder. In einem Hohlweg meinte Kai:"Ich mag es, durch solche Schluchten zu laufen!" Ich musste so lachen, was bergauf gar nicht so einfach war. 

Wir hatten uns wirklich viel zu erzählen, weshalb wir erst gegen 16.00 Uhr in Einsiedeln ankamen. Pünktlich zur Vesper und Salve Regina trafen wir beim Kloster ein. Die Klosterkirche selbst ist sehr beeindruckend und hat besonderes Flair.

Wir gingen noch etwas essen, bevor wir uns zur Nachtruhe in unser Klosterzimmer einfanden. 


ERKENNTNIS des Tages:


Für Ostdeutsche sind Hohlwege Schluchten. 

Einsiedeln
Einsiedeln