Tag 76 + 77

Beim Frühstück unterhielten sich die Gastgeber und ich uns kurz auf Französisch, bevor Frau Stern auf Deutsch wechselte, was für mich deutlich einfacher ist. Und ich war auch gar nicht traurig darüber. Denn irgendwie leide ich, wenn ich Französisch sprechen soll, plötzlich unter blitzartiger Amnesie und weiß einfach gar nichts mehr. Meine Französischlehrerinnen würden sich mit mir in Grund und Boden schämen. Aber jetzt weiß ich wieder, warum ich schriftlich maturiert habe.

Ich marschierte los. Der Himmel war grau. Und es wurde immer grauer. So grau, dass meine Stirnlampe zum Einsatz kam, denn ich musste wieder ein langes Stück auf einer Landstraße gehen. C'était très brumeux ! 

Im Pilgerführer stand: "Über die Felder nähern wir uns mit großartigen Fernblicken Lavatens...." 

tja.. nix mit "großartigen Fernblicken"
tja.. nix mit "großartigen Fernblicken"

Aber auch dieses Wetter hat seinen besonderen Charme und seine Vorzüge. Hier bekommen die Gedanken Auslauf, die sonst durch zu viel Input der Umwelt überdeckt werden.

Im nächsten Tal lichtete sich der Nebel doch und ich bekam wieder wunderschöne Herbstimpressionen zu Gesicht. Die Wegstrecke war leider auch heute, zum großen Bedauern meiner Füße, sehr Asphalt-lastig. Auch das Finden einer Unterkunft war heute wieder etwas schwierig. Zum Glück fand ich noch etwas Näheres und musste nicht, wie ich zwischendurch befürchtet hatte, bis nach Lausanne durchgehen. 

Dafür nächtige ich heute zu stolzen schweizer Preisen.


ERKENNTNISSE des Tages:


Blitzamnesien bei Konversationen in einer Fremdsprache entmutigen ein wenig. 


Nebel verstärkt Grübeln. 


Die Covid-Zahlen explodieren und ich bekomme täglich Anrufe und Nachrichten, ich solle doch abbrechen und heimkommen. 


Leider treffe ich immer häufiger auf solche Schilder
Leider treffe ich immer häufiger auf solche Schilder

Tag 77:

Ich habe heute schon vor dem Frühstück das erste Mal geweint. Der Gastgeber hat genau die richtigen Fragen gestellt, tja.. wie er mir erzählte, ist das auch seine Aufgabe: er ist Psychotherapeut. Ich bekam zum Frühstück auch noch mehr oder weniger eine Therapieeinheit über 1 1/2 Stunden "serviert".

Ich kam gut voran, obwohl meine Füße schon recht früh jammerten und mir viel im Kopf herumschwirrte. Ich ließ es mir auch nicht nehmen auf den 30m hohen Aussichtsturm zu gehen (in der Hoffnung ich würde den Mont Blanc sehen - leider erfolglos). Lausanne ist eine wirklich schöne Stadt, aber eben eine Stadt. Und das ist nach so langem Gehen in der Natur doch ein bisschen ein Kulturschock.

In Gland angekommen war ich hundemüde. 


ERKENNTNISSE des Tages:


Fiese Fragen sollten erst nach dem Frühstück gestellt werden, davor bin ich noch leichter am Wasser gebaut. 


Städte schocken. 

Genfer See
Genfer See